1. – 29.7.2023
Verräumte Dekonstruktion: Neue Legenden
Ort:
- Galerie Melike Bilir Admiralitätstraße 71, 20459 Hamburg
Web:
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Die in Litauen geborene Künstlerin Egle Otto kam mit zehn Jahren nach Deutschland in eine neue Welt, deren Sprache und Zeichen sie zunächst noch nicht verstehen konnte. Im Geheimen umtrieb sie eine frühreife Frage: Wo kommen wir her und wie kommen wir in diese Welt?
Viele Jahre später weiß die immer noch neugierige Künstlerin die Zeichen der Sprache zu deuten, umzudeuten und virtuos mit Ihnen zu experimentieren. Sie verstellt und dreht Wegweiser um, weckt uns auf und reizt uns mit Symbolen. Solche, die wir zu kennen scheinen, aber auch Geheimsprachen, die wir vielleicht im Schlaf, im Traum produzieren.
Zeichen der Zeit
Unser Blick geht zunächst auf die Dekonstruktionen der Maria, eine Serie von acht Zeichnungen: Wir sehen hier etwas wunderbar Buntes, überaus Lebendiges, mit starken Kontrasten und seinen eigenen Gesetzen von einer höheren und tieferen Harmonie. Modern mutet es an, Egle Otto scheint keine Angst vor Berührungen mit dem Chaos und dem Wahnsinn zu haben, aber man spürt auch einen epochalen Nachhall: Echos von Erfahrungen, Wissen und Sentimenten verschiedener internationaler Traditionen. Otto lässt diese formativen Mythen zu uns sprechen, was sagen sie uns?
Was tun wir bewusst?
In ihren Malereien offeriert uns Otto unaufdringliche, aber entscheidende Symbole: Der eingeklemmte Daumen: ablehnendes Handzeichen in ihrem Geburtsland Litauen oder spielerisch-infantile Geste eines Nasenklaus? Müssen wir uns entscheiden? Halb-Körper und Masken lassen uns spekulieren und dichterisch ergänzen. Und sind das etwa die wehenden Haare einer heroischen wilden Kriegerin oder haben wir es mit einer romantischen Szene zu tun? Kombinieren wir oder fallen wir dabei in Trance? Vieles ist möglich, in jedem Fall geben uns Ottos Werke Energie, Vorstellungskraft und Deutungsspielraum. Sie dekonstruieren für uns, versetzen uns in neue Blickwinkel und ermächtigen uns somit, Machtpositionen und Kontrolle neu zu deuten und zu denken. Aus antiken Mythen werden so in Ottos Kosmos neue kollektive Legenden initiiert.
Konkretes Empowerment
Die Künstlerin hat Lücken, hat eine Leere in der bestehenden Erzählung entdeckt, wo sie ansetzt. Ėgle Otto will bewusstmachen und sollte dabei auch explizit im emanzipatorisch / feministischen Sinne verstanden werden. Sie steht in einem fortwährenden aktiven Dialog mit den Werken, die sie umtreiben und zieht heraus, was sie weitererzählen kann, wo sich Bewusstsein und Souveränität erschaffen lassen. Die große Malerei in der Ausstellung, „Rise, rise, Baby“, gibt den universell emanzipatorischen Charakter ihrer Arbeiten perfekt und klar in Form eines virtuosen Liebesspiels wieder: „Empowerment“, so könnte man es auch auf einen Punkt bringen. (Joachim Franz Büchner)
Eröffnung: Freitag, 30. Juni 2023 um 18:00 Uhr
Öffnungszeiten: Do. und Fr. 15:00–18:00 Uhr & Sa. 13:00–15:00 Uhr sowie nach Vereinbarung