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Break Me – Don’t Safe Me
Anselm Franke, seit 2013 Leiter des Bereichs Bildende Kunst und Film am Haus der Kulturen der Welt in Berlin und dort und anderswo bekannt für seine, meist im Kollektiv erarbeiteten Ausstellungen, die sich oft in mehreren Akten und Varianten Begriffen und Narrationen mit bildhaften wie diskursiv-wissenschaftlichen Strategien annähern, fordert am 17. Juni eine ernstgenommene neue Museologie, die eine kritische Selbstreflexion und kuratorische Institutionskritik voraussetzt.
Zu Beginn seines Vortrags „Das anarchische Museum. Kuratorische und künstlerische Forschung und das Medium der Ausstellung als epistemisches Instrument.“, Teil der Ringvorlesung „Society Into Art“ am Kunsthistorischen Seminar der Universität Hamburg, wirft Franke erstmal einen notwendigerweise polemischen Blick auf die eigene Profession. Die Kurator_innen, Starfiguren des Kulturbetriebs seit den 1980er Jahren, unterteilt er grob in drei Gattungen: 1) Akademiker_innen, 2)Künstler_innen und 3)Abenteurer_innen. Zur dritten Gruppe muss er sich auch selbst bekennen. Der Thrill der abenteuerlichen Ausstellungsmacher_innen ist die Grenzüberschreitung. Die Grenzüberschreitung der Genres und Epochen, Disziplinen und Wissenschaften, Populär- und sogenannten Hochkulturen. Nur vor einer Grenze scheint die Abenteuerlust dann doch Halt zu machen: die Grenze der Institution. Die Kritik an der Gewalt, Definitionsmacht und Sperrigkeit der jeweils ausstellenden Institution wird zumeist einfach direkt als Auftragsarbeit an die Künstler_innen ausgelagert, die sich schön mit ihrer eigenwilligen Widerständigkeit an der Dekonstruktion unser aller Systems abarbeiten können – und dabei ausstellbare Werke produzieren, die sich leicht wieder kuratorisch arrangieren und besprechen lassen.
Es scheint offensichtlich, dass diese etablierte Strategie der Auslagerung und sofortigen Wiedervereinnahmung künstlerisch kritischer Positionen mitnichten der Weisheit letzter Schluss zur kuratorischen Institutionskritik sein kann. Genauso wenig andere beliebte Versuche, wie etwa der simplifzierende Kurzschluss von politischer und ästhetischer Repräsentation, der als Produkt der Expansionslogik und einer manischen Öffnung und Popularisierung von Ausstellungen die Kulturalisierung von Politik reproduziert. Auch das Inklusionsparadigma und die retrospektive Erweiterung des Kanons (und damit des Kunstmarkts) wirkt da unzureichend, wo weiterhin implizite Gewaltstrukturen der Kunstgeschichtsschreibung vertuscht werden.
Was also tun? Wie können Strategien entwickelt werden, um der scheinbar paradoxen Forderung zu begegnen, aus der Institution heraus kuratorische Institutionskritik zu betreiben? Wir können es Ausstellungsmacher_innen nicht verübeln, an dieser Stelle am liebsten direkt das Handtuch werfen zu wollen, denn Tatsache ist: das wird nicht einfach. Insbesondere Institutionen, die sich vorwiegend der „Hochkunst“ widmen, die elitären Paläste der Bourgeoisie mit ihren hochkarätigen Sammlungen, werden eine tiefgreifende Selbstkritik aus den eigenen Rängen nicht so einfach hinnehmen. Schließlich basiert die Daseinsberechtigung dieser Häuser direkt auf pekuniären Interessen – wie sonst wäre es zu rechtfertigen, dass Steuergelder für so etwas Belangloses wie Kunst draufgehen, wenn nicht unmittelbarer Profit dabei rausschaut? Unter diesem neoliberalen Motto werden seit Jahrzehnten Ausstellungsprogramme erstellt, Gelder eingeworben, Besucher_innenzahlen-Rekorde gejagt. Selbstreflexive kuratorische Arbeit, die die eigenen Effekte und Bedingungen benennt, statt sie nur zu reproduzieren wird nicht ganz oben auf der Liste der Dinge stehen, die diese Museen anstreben.
Umso wichtiger scheinen uns die möglichen Methoden und Strategien selbstreflexiver Ausstellungspraxis, die Franke in seinem Vortrag vorstellt. So billigt er zum einen der Themenausstellung ein spezifisches Potenzial zu, die eigene Rahmen-Institution (Museum, Ausstellung, Wissenschaft) explizit zu machen und damit eine Dynamisierung des Subjekt-Objekt Verhältnisses innerhalb der Ausstellung zuzulassen. Im besten Fall erlaubt eine gut gemachte thematische Ausstellung ihren Besucher_innen das jeweilig subjektive kulturelle Limit zu überwinden, indem sie es als konstruiert erkennen. Darüber hinaus spricht er sich für die Zusammenarbeit mit Nicht-Künstler_innen aus, um das Reinheitsgebot der Kunst-Insider zu einem freieren Zugang hin zu überwinden und die Selbstverständlichkeit und Selbstsicherheit der eigenen Disziplin in Frage zu stellen.
Er plädiert sowieso für Verunsicherung; für einkalkulierte enttäuschte Erwartungen und bewusste Kippbilder, für eine Ambivalenz zwischen diskursiver Reflexion und immersiver, versinnlichter Erfahrung, die dabei aber nie die Bedingungen und Beschränkungen ihrer Institution verschwinden lässt.
Anselm Franke glaubt noch an das Format der Ausstellung und das bei vollem Bewusstsein ihrer Probleme, Fallstricke, Widersprüche und Unzulänglichkeiten. Das macht Mut. Ernüchternd wiederum ist, wie sehr er an diesem Abend bemüht zu sein scheint, den Zugang zu seinen Fragestellungen und Erkenntnissen zu erschweren. Der Vortrag ist ganz offensichtlich eine Anstrengung; vor allem in der Dauer-Referentialität der Sprache, die wie eine Selbstverständlichkeit daherkommen soll. Sie verunmöglicht ein unmittelbares Mitdenken der Zuhörenden (einer Ringvorlesung gemäß hauptsächlich Studierende) und wirkt wie ein verkrampftes Wegducken vor den materiellen wie geistigen Mauern der einladenden Academia. Der selbstreflexive Kurator erliegt hier ganz offensichtlich den performativen Machtstrukturen der fremden Institution und reproduziert sie verunsichert fort. Schade um das inhaltliche Potenzial des Vortrags und nur ein weiterer Hinweis dafür, dass es auch an Universitäten längst überfällig ist, Institutionskritik zu praktizieren, das eigenen Droh- und Machtgehabe sowie die inhärenten Ausschlussmechanismen und Gewaltstrukturen zu benennen und zu durchbrechen.