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No Face No Name No Number
Üblicherweise sind die Veranstaltungen, über die wir hier schreiben, eher überschaubar besucht. Richtige Peer-Veranstaltungen eben, spezifische Themen und Forschungsgebiete, Abendtermine, bei denen man eineinhalb Stunden stillsitzen muss, kaum Society-Potenzial. Nicht so bei dieser letzten Veranstaltung. Der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda spricht im Hamburger Kunstverein über „Kunstfreiheit als Gradmesser demokratischer Freiheit – zum Zusammenhang von Kultur, offener Gesellschaft und Demokratie“ – und das Foyer ist voll. Alle Sitzplätze besetzt, auf den Treppen in den zweiten Stock sitzt man, trotz eingeschränkter Sicht, eng an eng. Das Thema geht wohl alle etwas an und der Society Faktor passt, das erkennt man an den klirrenden Weingläsern und den gut sitzenden Frisuren.
Bettina Steinbrügge eröffnet als Hausherrin den Abend, sie verweist auf die Initiative „Die Vielen“ und ihren Stolz darüber, dass alle Hamburger Kunstinstitutionen den Aufruf unterschrieben hätten, auch von „bürgerlichem Stolz“ ist die Rede, Stolz auf das deutsche Grundgesetz, das zu den besten der Welt gehöre.
Damit sind die ersten Würfel für den Abend gefallen, der maßgebende Ton ist angeschlagen: Stolz und gegenseitiges Schulterklopfen, ein Hoch auf bürgerliche Kulturleistungen und ein Urvertrauen in die Künste als Umschlagsort demokratischer Werte – darum wird es auch im Vortrag von Carsten Brosda gehen. Brosda ist ohne Zweifel ein sympathischer, wortgewandter und aufmerksamer Redner – und ganz bestimmt auch ein engagierter und überzeugter Kultursenator, mit, wie man so gerne sagt, dem Herz am rechten Fleck.
Nichtsdestotrotz hinterlässt seine flammende Rede auf die Kunst und ihre Institutionen als Grundpfeiler einer offenen Gesellschaft viele Fragen. Gerade in ihrer rhetorischen Finesse und positiven Grundenergie, die mit wildem, fast schon ekstatischen Kopfnicken in den Sitzreihen begleitet wird, überfliegt, verkürzt und verwischt die Rede Widersprüche und Missverständnisse, die es eigentlich zu klären gilt. So zeichnet Brosda das Bild einer heutigen Gesellschaft, in der individuelle Freiheit und gleichberechtigte, selbstbestimmte Entfaltung für alle erreicht worden ist – was dieser Gesellschaft nun fehlt, sind wieder Orte der Gemeinschaft zu finden (also zum Beispiel die Kunst, sagt Brosda).
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