Dr. phil. in art. Birgit Schlieps
Bildphänomene einer Plattenbaustadt in der kasachischen Steppe
Betreuung: Prof. Dr. Hanne Loreck, Prof. Susanne Weirich (Künstlerin, Universität Duisburg-Essen)
Disputation: 21. November 2019
In der Arbeit gibt es zwei Protagonisten, die Stadt und die Bilder. Sie treffen sich auf der Bildfläche. Im Sinne eines verkreuzten Bilddispositivs, spiegele und befrage ich »das eine« in »dem anderen«. Motivation diese Arbeit zu beginnen, war die Frage nach den Ursachen des persönlichen »Geflasht-seins« vor Ort, einer Plattenbaustadt in der kasachischen Steppe – als immer wieder auftauchende Wahrnehmungserfahrung.
Anhand dieses verkreuzten Bilddispositivs untersuche ich unterschiedliche Repräsentationsmodi, die mit der Moderne, einer ironiefreien Postmoderne oder eines Copy-Paste-Historismus und digitalen Prozessen in Verbindung gebracht werden bzw. als zeitgeschichtliche Phänomene zu einer bestimmten Zeit unter bestimmten Bedingungen entstanden sind.
Die eigenen Wahrnehmungserfahrungen kontextualisiere ich durch eine Einbettung und Rekapitulation von Wahrnehmungstheorien, die auf dezentrierende Perspektiven ausgerichtet sind. Daraus ergibt sich ein verändertes Lesen der Bilder, welches auch die visuelle Struktur der Fotografien berücksichtigt. Ich versuche, das Fotografische als ein kartographisches Verfahren zu verwenden und zu interpretieren, um damit einen neuen Wahrnehmungsraum zu eröffnen.
In Bezug zu digitalen Prozessen geht es auch um eine Verteidigung von Reiz-Reaktions-Intervallen, von Leerstellen, von Möglichkeiten einer Nicht-Repräsentation.
Die Bilder und die Texte formulieren eine Geste des Nachvollziehens eines »Kreuzens und Querens« und Aneignens eines Teilgebietes des asiatischen Kontinents und seiner Landschaften mit dem Bau einer Idealstadt in den 1960er Jahren einschließlich aktueller Entwicklungen. Der visuelle Raum wird mit einer fotografischen und einer – auf die Fotografie bezogenen – beschreibenden und analytischen Ebene »imaginär«, »symbolisch« und »real« neu konstruiert. Die Plattenbaustadt in der Steppe ist ein Resultat der europäischen Moderne zwischen Phantasma und Potential. Sie kann als ein visuelles Feld jenseits von Figur und Grund wahrgenommen werden.
Im März 2020 erscheint das Buch Bildphänomene einer Plattenbaustadt in der kasachischen Steppe im Materialverlag, HFBK Hamburg
Vita:
Birgit Schlieps (*1966 in Stuttgart, Deutschland) lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte Architektur und Bildende Kunst (Bildhauerei und Multi Media) an der Universität der Künste, Berlin und an der Cooper Union, School of Architecture and Art, New York, u.a. mit William Firebrace (Architectural Association, London), Jennifer Montgomery (Cooper Union, New York) und Lothar Baumgarten (UdK Berlin). 1996 Mitbegründerin und seitdem Mitglied der Künstler/innengruppe Stadt im Regal. 2013-2016 Konzeptionelle und kuratorische Tätigkeit für den öffentlichen Wettbewerb Kunst im Untergrund der nGbK mit der Staffel Was ist draußen? entlang der U5 in Berlin-Hellersdorf. Areal ihrer künstlerischen Arbeit ist der urbane Raum als Phantom, Mythos und Konstruktion. Mit ihren derzeitigen Forschungsprojekten Brache as (is) a state of mind (mit Stadt im Regal) und Berlin Bricolage beschäftigt sie sich mit Leerstellen in verschiedenen Kontexten, u.a. im Gewebe der Stadt und im wechselseitigen Erfasstsein und Verwickeltsein von Menschen, Körpern und Material.
Kontakt:
www.birgitschlieps.de