Grand Theft Auto. Kristian Vistrup Madsen über die Arbeiten von Frieda Toranzo Jaeger
Attraktive, feuchtglänzende Frauen, die Autos mit seifenschäumenden Schwämmen liebkosen und mit verschmutzten Achselhemden bekleidete verschwitzte Mechaniker mit Schraubenschlüsseln und Zangen als symbolische Stellvertreter für den Phallus – das sind die Protagonisten der in unserer Kultur weitverbreiteten erotisch aufgeladenen Autofixiertheit. In deren Zentrum steht selbstverständlich der Motor, der Erbe des uralten Status des Pferdes als vollendetes Sinnbild der Manneskraft. Frieda Toranzo Jaegers Werk kann als eine mutwillige Zerstörung dieses semantischen Bereichs aufgefasst werden: Sie zerkratzt nicht nur den Lack des Autos, sondern nimmt es sich obendrein für eine Spritztour.
Autoerotik könnte die Überschrift einer Vielzahl ihrer Arbeiten sein, doch bislang ist es nur der Titel von einem Werk, Autoeroticism (2018), einem dreiteiligen Gemälde, das den Motorraum eines Autos mit seinen diversen Schläuchen und anderen Bauteilen zeigt, die von pinkfarbenen Händen gefingert werden. Man könnte Autoerotik in diesem Sinne auch unumwunden mit „Autosex“ übersetzen, ein Motiv – zwei Menschen, die es auf dem Rücksitz treiben –, das in mehreren Arbeiten Jägers vorkommt, zum Beispiel in Tapicería Nocturna (2017), und Sappho (2019). Um den von dem Kulturtheoretiker José Esteban Muñoz geprägten Begriff zu bemühen, könnten wir dies als eine Form von Disidentifikation bezeichnen: die Macht, etablierte Vorstellungen zu mobilisieren oder gar darin zu schwelgen – beispielsweise der Beziehung zwischen Männlichkeit und dem Phallus beziehungsweise zwischen der Andersheit und dem Exotischen – aber dabei ihre Sinnzusammenhänge neu zu verknüpfen. In Toranzo Jaegers Arbeiten nutzt das Auto den gesamten PS-Reichtum seiner kulturellen Vormachtstellung, aber mit anderen, ambivalenteren Zielen.
Und die Ambivalenz ist wesentlich, wie bei allem, das auch nur entfernt mit Psychoanalyse zu tun hat, von deren Sprache Toranzo Jaegers Werk strotzt. Auto leitet sich vom griechischen Wort für selbst ab, während Eros mit dem Begehren zu tun hat, das in der Regel auf etwas gerichtet ist, was das Selbst nicht ist. Doch das Erotische wird zugleich, wie Sigmund Freud bekanntermaßen postulierte, auch vom Todestrieb bestimmt. Das Aufjaulen eines Motors, Geschwindigkeit, ist sexy, weil es Gefahr suggeriert und Zerstörung vorausahnen lässt. Sex, sei er romantischer oder sadomasochistischer Natur, ist untrennbar mit Selbstzerstörung verbunden. Darüber hinaus gibt es einen Widerspruch zwischen dem Auto als einer Form des Selbst, das sich durch die Welt bewegt, und der Gegenwart des Erotischen, welches das Selbst zugleich affirmiert und negiert, indem es das Selbst sowohl zum Subjekt als auch zum Objekt der Begierde macht. Und so können wir das Innere des Autos als komplexe psychologische Sphäre verstehen, und Toranzo Jaegers Gemälde Autoeroticism als Abbild der Weitschweifigkeit des Unterbewussten.
Die freistehenden, in mehrere Tafeln unterteilten Gemälde Toranzo Jaegers erinnern oft an Altarbilder. In einer Zeit, in der die meisten Gemälde direkt auf die Wand gemalt wurden, war das Altarbild autonom – wie das Auto ist es beweglich. Doch während ein gotisches Gemälde traditionell wie ein Buch gelesen wird, von links nach rechts, von der Geburt zum Tod, von Weihnachten bis zum Osterfest, lesen sich Toranzo Jaegers Bilder zirkulär. In Autofellatio (2020) bewegt sich der Blick von dem mechanischen Bauteil in der Mitte spiralförmig nach außen. Hope The Air Conditioning Is On While Facing Global Warming (part 1) ist eine weitere Innenansicht eines Autos und ein weiterer Zugangspunkt zum Unterbewussten. Es öffnet sich auf beiden Seiten schräg nach oben, was einen dynamischen Spiegelungseffekt – wie bei einem Rorschachtest – erzeugt, der durch die leicht gewölbten Oberflächen des Autos verstärkt wird. In Autoeroticism wiederholt sich diese Komposition, doch auf überdrehte Weise; hier erzeugt das einem dichten Gestrüpp ähnelnde Innenleben des Autos mit seinen sich windenden Schläuchen ein Gewirr von Kreisen. Es ist ein geschlossener Kreislauf, der unaufhörlich in sich selbst zurückführt. Auch dadurch wird es zu einem Selbst und stellt seine Autonomie sicher. Gleichzeitig verschließt es sich auf diese Weise vor der Welt. Erneut: Ambivalenz.
Bei Freud verweist Autoerotik auf ein Stadium in der Entwicklung der frühkindlichen Sexualität, in dem sich das Begehren auf den eigenen Körper richtet. Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler nahm Freuds Theorie als Grundlage für den von ihm geprägten Begriff Autismus, in dem er jedoch das Erotische buchstäblich ausklammerte, was zu einem Streit mit Freud führte, der nie einräumen wollte, dass Autismus nicht einfach mit Autoerotik gleichzusetzen sei. Autofellatio liest sich als Manifest der männlichen Auto-Erotik: Ein autistisches Im-Kreis-Wichsen von toxischer Männlichkeit, das Toranzo Jaeger, deutlich ihre Disidentifikation bekundend, mit riesigen knallgelben Lettern unterschreibt. Zugleich ist auf diesem Bild jede Stange auch ein Loch, und jede Linie biegt sich zu sich selbst zurück. Der Phallus ist immer auch nicht.
Der Autofellationist ist jemand, der sich selbst einen blasen kann, ein Unterfangen, das seinen Körper in einen Kreis zwingt, der denen ähnelt, die Toranzo Jaegers Werk durchziehen. Es handelt sich dabei um einen autistischen, narzisstischen und nichtreproduktiven Geschlechtsakt, der mit einem heteronormativen Muster bricht – er ist nicht nur ambi-valent, sondern multi-valent. Ein Artikel im US-amerikanischen Pornomagazin Hustler aus dem Jahr 2001 legt nah, dass die Praktik sogar illegal sein könnte:
Achtzehn Bundesstaaten haben Sodomiegesetze, die Oralsex zwischen zwei einvernehmlich handelnden Erwachsenen verbieten, in ihren Gesetzbüchern. Könnte ein übereifriger Staatsanwalt das Verbot des Blowjobs auf einen einzelnen einvernehmlich handelnden Erwachsenen ausweiten? „Man kann nie wissen; das ist durchaus möglich“, sagte ein Strafverteidiger, der anonym bleiben möchte. „Mich würde es nicht weiter überraschen, wenn ein Gesetz, das Autofellatio verbietet, vom gegenwärtigen Obersten Gerichtshof bestätigt werden würde.“
Auch wenn das Beispiel etwas weit hergeholt ist, weist es auf die subversiven Aspekte der Autoerotik hin; darauf, wie sie mit der Linearität bricht und die Grenze zwischen Subjekt und Objekt niederreißt. Dies ist es, was wir sehen, wenn sich in den Arbeiten Toranzo Jaegers die mit Autos verbundene High-Tech-Ästhetik von Künstlichkeit und Mechanik mit widerspenstigen natürlichen Elementen wie Farnwedeln und dornigen Zweigen mischt. Während das auto nach innen deutet, weist das ex- von exotisch, wie das ex- von Existenz, auf das Außen hin. Ein Spannungsfeld, dem Toranzo Jaeger in ihren Werken sehr oft Ausdruck verleiht, ist das zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen. Das Urteil des Obersten Gerichts der USA im Fall Bowers v. Hardwick (1986), in dem die im Artikel des Hustler erwähnten Sodomiegesetze zur Anwendung kamen und das erst 2003 gekippt wurde, hat, wie Muñoz betont, „das Recht auf Privatsphäre aller Schwulen und Lesben nachhaltig außer Kraft gesetzt und im Grunde genommen dem Staat die Türen zu unseren Schlafzimmern geöffnet.“ Verletzungen der Privatsphäre sind strukturell und politisch bedingt; sie sind systemimmanent. Der Lösungsansatz, den Muñoz vorschlägt, und den wir bei Toranzo Jaeger mit so viel Wucht und Witz ausgeführt sehen, ist, sich zu disidentifizieren und den Eros in seinem Auto auf selbstgewählte Weise in die Exos zu bringen.
Die Macht der Verletzung der Privatsphäre beruht auf dem Skandal, der mit der Enthüllung einhergeht; darauf, dass es ein schamloses Geheimnis zu entdecken, eine Illusion zu zerstören gäbe. Toranzo Jaegers Arbeiten sind dreidimensionale, aus mehreren Teilen zusammengesetzte Werke, welche die betrachtende Person einladen, sich um sie herumzubewegen, um ihre leeren Rückseiten zu sehen und zu erkennen, dass die Tiefe, die zu haben sie vorgeben, konstruiert ist, nur eine buchstäbliche Kulisse. Bei Autofellatio hängt die zentrale Komponente direkt an der Wand, während die kleineren Tafeln, die einen Kreis darum bilden, in einem gewissen Abstand davor an der Decke hängen. Die Vollkommenheit des Werks hängt nicht davon ab, dass die Illusion einer einheitlichen Fläche gewahrt wird – ganz im Gegenteil. Toranzo Jaeger legt die Konstruktion des Werks offen, wie ein Vampir seine Eckzähne bleckt, auf eine Weise, die konfrontativ und neckisch zugleich ist. Andere Bilder ähneln Wandschirmen und spielen auf eine Art Verschämtheit an, die in der Welt dieser Arbeiten – in der das Innere des Autos das Äußere des Gemäldes ist und Sex immer privat und öffentlich zugleich – völlig deplatziert ist. In Toranzo Jaegers Arbeiten gibt es keine skandalöse Wiederkehr des Verdrängten. Sie sind nicht einfach nur ehrlich, sondern unverblümt, und zwar auf demonstrative Weise: sie feiern ihre Direktheit. Das ist es auch, was ihre wildentschlossene Eigenständigkeit untermauert.
Dennoch birgt die bloße Vorstellung von einer Eigenständigkeit in der Malerei, wie Toranzo Jaegers Arbeiten sie aufwerfen, weiterhin Konfliktpotential, genau wie der Automatismus eines Autos. Die Gegebenheit des Autos als ein Selbst, umgesetzt als die fahrerlosen Automobile der nahen Zukunft, ist eine Kampfansage, und zwar an die Autonomie jener, die sich darin befinden; eine Bedrohung für die Freud‘schen Triebe, das Begehren und die Männlichkeit. Beraubt uns die Handlungsfähigkeit des Autos unserer eigenen Wirkmacht? Sappho (2019) ist die Arbeit, in der die ultimative Innerlichkeit, der auto-erotische Raum des Autos, fast vollständig in das ex- der Exotik einbricht und das Verhältnis von Selbst zum Anderen verdunkelt. Zwei Frauen haben Oralsex, ausgestreckt auf drei Autositzen mit schwarzem Lederbezug, der dick und stramm ist wie die Torsi von Gorillas. Sie sind umgeben von einer üppigen Dschungellandschaft wie aus Henri Rousseaus Traumbildern von der Wildnis und befinden sich absurderweise in Gesellschaft mehrerer Schoßhündchen Marke Zwergspitz. Hier liefert Toranzo Jaeger eine eher trockene Antwort auf die panischen Fragen zu Kastrationsangst und schwindender Libido, die durch das selbstfahrende Auto aufgeworfen werden: Wenn niemand sich um das Lenken des Wagens zu kümmern braucht, haben wir dann nicht mehr Zeit für die wesentlichen Dinge? Sappho stellt Aktivität und Passivität als etwas zu einem undurchsichtigen Zwischending Aufgelöstes dar: ein Fick, der nicht auf einen Erguss abzielt; ein Trip ohne Ziel und ohne Ende.
Ein solches Bild setzt die Unterscheidung zwischen dem Begehren des anderen und dem Wunsch, der andere zu sein, die Freud so unbedingt aufrechterhalten wollte, also die Distinktion zwischen Begehren und Identifikation, unter Druck. Diana Fuss bewertet diese Unterscheidung in Identification Papers als bestenfalls “fragwürdig”. Sie ändert Freuds Theorie ab, indem sie “Vampirismus” als eine Methode vorschlägt, die
sowohl das Andere einverleibend als auch das Selbst erzeugend ist; sie grenzt einen uneindeutigen Raum ab, in dem Begehren und Identifikation weniger gegensätzlich als vielmehr aneinandergrenzend sind, wo das Begehren, das Andere zu sein (Identifikation) seine gesamte Kraft aus dem Begehren bezieht, das Andere zu besitzen.
Diese vampirhafte Handlungsweise wird nicht durch den Widerspruch zwischen Auto und Eros in Gefahr gebracht. Vielmehr fasst sie die Autonomie als etwas auf, das zur Selbsterhaltung keine autoritären Grenzüberschreitungen wie Bowers v. Hardwick benötigt, sondern vielmehr durch gegenseitige Kontamination gedeiht. Diese Logik erschließt die riesigen Mengen von Energie und Tatendrang, die wir in Toranzo Jaegers Arbeiten mit ihren zirkulären Kompositionen und dem starken Sinn für Geschwindigkeit sehen. „Geschwindigkeit kommt in der Malerei nicht so oft zur Anwendung”, hat Toranzo Jaeger zu mir gesagt, „Ich wollte wissen: Wie macht man ein Gemälde schnell?” Man muss die Räder des Begehrens ins Rollen bringen. Sich das dickste Auto klauen, das man finden kann, und es einer Anhöhe hinunterschubsen.
Kristian Vistrup Madsen, 2022
Zitiert aus:
- José Esteban Muñoz: Disidentifications, University of Minnesota Press, 1999.
- Dan Kapelovitz: “Because They Can: The Risks and Rewards of Auto-Fellatio,” Hustler, January 2001.
- Diana Fuss: Identification Papers: Readings on Psychoanalysis, Sexuality, and Culture, Routledge, 1995.