2024/07/12: Karl H. Ditze Preis und HFBK-Filmpreis vergeben
Gestern Abend sind zur Eröffnung der Graduate Show an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) die bemerkenswertesten der 160 Bachelor- und Masterabschlussarbeiten des Studienjahres 2024 ausgezeichnet worden: Um den Karl H. Ditze Preis und den HFBK-Filmpreis der Hamburgischen Kulturstiftung konkurrierten die Graduierten der Malerei, Bildhauerei, Zeitbezogenen Medien und des Bühnenraums, Designs, der Grafik/Fotografie sowie des Films.
Jury für den Karl H. Ditze-Preis: Jörn Bötnagel – Galerie BQ, Berlin | Elisa R. Linn – Halle für Kunst, Lüneburg | Noor Mertens – Kunstmuseum Bochum | Anna Nowak – Kunsthaus, Hamburg | Bärbel Trautwein – Galerie Trautwein Herleth, Berlin | Misal Adnan Yıldız – Kunsthalle Baden-Baden ||| Jury für den HFBK-Filmpreis, gestiftet von der Hamburgischen Kulturstiftung: Akın Şipal – Filmemacher, Dramaturg, Autor | Daniel Sponsel – DOC.fest, München | Barbara Wurm – Sektion Forum, Berlinale
Zu den Prämierten:
Dmitrii Kuld (Prof. Wigger Bierma) – Karl H. Ditze Preis für die beste Bachelor-Abschlussarbeit i.H.v. 4.000 Euro
Mit seinem Bachelor-Abschluss leistet Dmitrii Kuld eine präzise Grundlagenarbeit im Kontext der Typografie, mit einem historischen Bezug zu der HFBK. In einer intensiven Auseinandersetzung mit der Typografie-Verlagswerkstatt hat er die vielfältige Relation von Schrifttypen und Drucktechnik untersucht und in seinem aufwendig produzierten Buch Holztypen die Forschungsergebnisse festgehalten und für andere Studierende verfügbar gemacht. Dadurch führt er die Bedeutung von Typografie sowohl für die Bildende Kunst, etwa in der konkreten Poesie, also auch für die Gestaltung von Texten und Büchern buchstäblich vor Augen.
Ruxin Liu (Prof. Rajkamal Kahlon) – Karl H. Ditze Preis für die beste Master-Abschlussarbeit i.H.v. 6.000 Euro
Mit dem Preis für die Masterabsolventin Ruxin Liu wird ihre individuelle wie kollektive künstlerische Praxis gewürdigt: Ihre Videoarbeit A kind of lesbian desire erforscht Scham aus der Perspektive der queeren Diaspora. Sie dokumentiert nicht nur traumatische Erlebnisse des Coming-outs, sondern übersetzt sie in eine ermächtigende visuelle Sprache, die Hoffnung schafft. Mit ihrer Ausstellung aktiviert sie darüber hinaus den Living Room, eine kollektive künstlerische Praxis, die sie gemeinsam mit anderen Studierenden seit 2022 erprobt. Humorvoll und authentisch behandelt Ruxin Liu in ihren Formaten soziale Themen und betrachtet die Frage, wie wir zusammenleben wollen, als gemeinschaftliches Anliegen, mit dem sie Veränderung einfordert.
Nils Jakob Timm (Prof. Robert Bramkamp) – HFBK-Filmpreis, gestiftet von der Hamburgischen Kulturstiftung i.H.v. 5.000 Euro
Der Kurzfilm Mikroben von Nils Jakob Timm (DE 2024, 17 Min, HD, Farbe) ist eine Ode an die Stadt als Seinsform. Gekonnt, ja geheimnisvoll, werden die Bestandteile in Beziehung gesetzt, ob kleinste Luftpartikel oder Regungen des Zwischenmenschlichen jenseits des Beschreibbaren. Die filmische Sprache ist dabei konsistent, konzise und hauchzart; sie erschöpft sich nicht in formaler Strenge. Vielmehr sind ihre Mittel mit spielerischer Leichtigkeit und schlafwandlerischer Sicherheit gewählt und lassen uns von einem Genre zum nächsten driften: ein Filmessay zu Beginn, mündend in ätherische Dialog- und Spielfilmszenen, weist diese Stimmungsskizze über Genregrenzen hinaus. Ein Oszillieren der Emotionen und Begegnungen setzt ein – durchwegs sinnliche Formen des Medialen. Die Orte der Stadt, ihre Rhythmen und die Menschen in ihr sind von einer alles durchwirkenden filmischen Verfasstheit geprägt, weshalb die Antwort auf die Frage, was diese Räume, diese Szenen, diese Stadt in ihrem Innersten eigentlich zusammenhält, im lyrischen Ich dieses Films zu finden ist: dem Filmkorn. Mal ganzheitlich, mal kryptisch, von hoher visueller Intensität und durch und durch sinnstiftend ist der Film eine poetische Umarmung des Seins.
Amelie von Marschalck (Prof. Philipp Hartmann) – Lobende Erwähnung
Die mehr als 2000 Jahre alte Tradition des Zelebrierens des Rituals „Fliegen lernen“ der ethnischen Minderheit der Totonakos in Mexiko, hat die Unterdrückung durch die spanische Kolonialherrschaft überdauert. In dem Dokumentarfilm LEARNING TO FLY von Amelie von Marschalck (DE/MEX 2023, 49 Min), der seine Wurzeln im klassischen Direct Cinema und der visuellen Anthropologie hat, werden beiläufig große Themen verhandelt: Das kulturelle Erbe, die Folgen des Kolonialismus und das über lange Zeit ineinander Verschmelzen von vorchristlichem Ritual und christlichem Glauben. Der Film entstand in vertrauensvoller Abstimmung mit den Protagonist:innen, um das Erbe ihrer Kultur für das Gedächtnis der Gesellschaft festzuhalten. Seine große Stärke liegt in der Konsequenz seiner Form. Amelie von Marschalck ist einerseits nah dran an den Protagonist:innen und den Ereignissen, anderseits wahrt der Film eine natürliche Distanz und lässt uns als Zuschauer:innen den Freiraum der eigenen Entdeckungen und des Staunens. Die souveräne Genauigkeit und Ernsthaftigkeit der Beobachtung, der Kameraführung und der Montage in Bild und Ton, heben die Trennung von Form und Inhalt konsequent auf.
Die Ausstellung mit allen Filmen und künstlerischen Abschlussarbeiten ist noch bis einschließlich Sonntag für das Publikum geöffnet. Der Eintritt ist frei. Aktuelles Programm unter: www.hfbk-hamburg.de
Ausstellung | 12. bis 14. Juli 2024 | täglich 14 bis 20 Uhr
Führungen täglich | (dt) 16 und 18 Uhr | (engl) 16 Uhr | Sa 17 Uhr + So 16 Uhr in dt. Gebärdensprache | Kinderführung (ab 6 Jahre) | Sa + So 16 Uhr | kinder kunst raum: Sa + So 15-18 Uhr im Mensavorraum
Ort | Hochschule für bildende Künste | Lerchenfeld 2 + 2a | Wartenau 15 | Finkenau 42
Mit freundlicher Unterstützung von der Karl H. Ditze Stiftung, der Hamburgischen Kulturstiftung und der Moin Filmförderung Hamburg Schlweswig-Holstein.
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