Dr. phil. in art. Tobias Muno
Arbeitstitel: nympha materiae. Eine Pathetik des undenkbar Komplexen
Betreuung: Prof. Dr. Hans Joachim Lenger, Prof. Michaela Melián
Mein künstlerisch-wissenschaftliches Promotion versucht die Frage zu beantworten, ob moderne Maschinen - gerade indem sie menschliche Arbeit durch Automatisierung entmenschlichen - die Möglichkeit bieten, eine menschliche Essenz zu denken, die nicht allein im sozialen Miteinander eingebettet ist. Es handelt sich um ein großes Essay über die Bestimmung des Menschen in der Gegenwart.
Inhaltsangabe:
Der Text setzt sich mit den Grenzen von so genannter "künstlicher Intelligenz" auseinander. Er bildet den Versuch einer negativen Bestimmung des Menschen durch das Erscheinen moderner Maschinen. Die Bestimmung dessen, was „menschlich“ genannt werden kann, vollzieht sich über die für Maschinen konstitutive Abwesenheit eines genuin menschlichen Charakteristikums. Hierbei bildet sich eine konstitutive Vakanz vor der naturwissenschaftlich getriebenen Beschreibung menschlicher Intelligenz. Sie kann die Antwort auf die Frage, was der Mensch (ohne äußere Bestimmung) sein soll, nicht liefern und verschiebt diese in das Unbekannte der Seele. Diese Seele kommt für die Naturwissenschaft nicht zur Erscheinung: sie bleibt eben vakant. Doch dass sie hier ohne Weiteres nicht zur Erscheinung kommt, ist eben auch eine ihrer Charakteristika.
Die Vakanz einer menschlichen Essenz sehe ich in dem beschrieben, woran die Turing-Maschine im ad-asbsurdum-Beweis Turings scheitert. Woran die Turing-Maschine für alle möglichen Maschinen scheitert, ist der Kretersatz. Damit führt die moderne Maschine wieder an den Anfang der Philosophie. Der moderne Computer ist eine eigenartige Präsenz der unbeantworteten Frage, was der Mensch ist. Nämlich das alles, was sie nicht sein kann. Was dies über die formale Bestimmung hinaus sein soll, versuche ich in meiner Arbeit zu beantworten.
Konzept:
Der Text gliedert sich in zwei große Teile. Der erste Teil (Alles Wandelbare kann imitiert werden) beinhaltet philosophische Erörterungen, der zweite Teil (Das Unwandelbare kann nicht imitiert werden) konzentriert sich auf die historischen und technischen Aspekte und Bedingungen des Turing-Beweises. Darüber hinaus verfügt der Text über eine Einleitung samt Zusammenfassung und einem Schluss (Nachhall der Pathetik).
Insgesamt vollzieht der Aufbau eine Bewegung, von der Fragestellung „Was lässt sich alles benennen und beschreiben?“ hin zur Frage „Was lässt sich weder beschreiben noch benennen?“. In diese beiden Fragen lässt sich das Problem der KI, bzw. jeder maschinellen Imitation vereinfachen: alles was naturwissenschaftlich adäquat beschrieben ist, lässt sich eben auch maschinell simulieren. Was sich jedoch nicht empirisch so zeigt, dass es beschrieben werden kann, kann eben auch nicht simuliert werden – bzw. ist nicht „computable“. Als Unterscheidungsmerkmal zwischen Maschinen und Menschen lässt sich die Größe der Seele einführen. Doch wenn die Seele etwas sein soll, dann kann sie nicht unbeschreibbar sein – sie kann aber auch nicht naturwissenschaftlich definierbar sein. Die Lösung muss dazwischen liegen. Im Zentrum beider Erörterungen befindet sich die Abwesenheit (Vakanz). Was abwesend ist, ist weder beschreibbar, denn es ist ja nicht vorhanden, noch ist es überhaupt unbeschreibbar, denn es fällt ja auf, dass es nicht da ist: die Seele als Unterscheidungskriterium wird im vorliegenden Buch als etwas bestimmt, das nicht benannt werden kann. Indem jedoch benannt wird, dass etwas „unbenannt“ ist, wird ein Bereich erzeugt, indem die Simulation scheitert. Die Abwesenheit ist Anwesenheit eines Mangels und dies ist eine Vakanz: ein leerer Thron, die unbesetzte Stelle in einem Organigramm. Auf diese Weise soll die Seele als ein Zeiger verstanden werden, der auf etwas zeigt, was nicht benannt werden kann. Auf diese Weise soll sich die Seele als etwas verstehen lassen, dass gerade dadurch etwas ist, indem weder gesagt werden kann was sie ist, noch ob sie überhaupt ist. In der Praxis der Fragestellung ist sie als Mangel der Grund des Fragens und sie ist als Attraktionspunkt der sinnstiftenden Lektüre des Buches vorhanden.
Der erste Teil der Arbeit collagiert Themen aus der Erkenntnistheorie mit einer Triade aus Tieren, Menschen und Nymphen, um in einer Auseinandersetzung mit dem großen Themenkreis von „Herr und Knecht“ in die Fragestellung zu münden, was nicht wandelbar und damit vakant ist. Hierfür wird zu Anfangs festgestellt, dass die Wahrnehmung selbst nicht wahrgenommen werden kann und dass ihr sogar – weil Wahrnehmen und Denken in gewisser Hinsicht korrespondieren – etwas Undenkbares zu Grunde liegt. Dieser Gedankengang entspinnt sich weiter über Figurationen des Unwahrnehmbaren und Undenkbaren, das insofern auch nicht ausgesprochen werden kann. Umkreist wird dies durch Erläuterungen über die Nymphen und ihre Beziehung zum Bewegten und Flüssigen. Der erste Teil endet mit der Erörterung feministischer Diskurse als Beispiel für einen zugrundeliegenden Rest, der sich nicht sprachlich ohne Weiteres einfassen lässt.
Im zweiten Teil der Arbeit geht es um die Frage, ob diese Vakanz überhaupt imitiert werden kann. Ist die Vakanz in der Maschine zu finden? Um diese Frage zu beantworten, ist von Bedeutung, wo die Grenzen der Maschinenintelligenz liegen: Was sie also nicht fähig ist zu tun. Nun gibt die Turing-Maschine vor, jede denkbare Maschine beschreiben und simulieren zu können und dies ist der Fall, weil es sich bei der Turing-Maschine weniger um eine Rechenmaschine handelt, als um eine Symbol-Management Maschine. Alles was durch Symbole, also Schrift und Mathematik beschrieben werden kann, kann eben auch als Maschine beschrieben und simuliert werden. Dies bedeutet, dass wir uns mehr und mehr auf den Punkt hinzubewegen, dass Maschinen, sei es als Autoren oder Autofahrer, so schreiben und handeln können wie Menschen es vollziehen.
Wenn die Vakanz der Seele etwas sein soll, was Menschen von Maschinen unterscheidet, dann muss sie etwas sein, dass sich dem symbolischen Ausdrucksvermögen entzieht und damit auch der Maschine. Zugleich muss es sich um etwas handeln, auf das man uns hinweisen kann, auf das eben auch die vorliegende Arbeit hinweisen kann.
Es ist schlussendlich ein Buch geworden, dass vor allem zum Ziel hat, den Leser zu stärken, indem es die Frage nach dem Verbleib des Menschen vor den Maschinen klärt.
Vita:
Ich beschäftige mich in meiner Forschung und in meinem Schreiben mit der Verknüpfung von Maschinen und dem menschlichen Selbstverständnis. Mit meiner Promotion schließe ich an meine Magisterarbeit an der Hochschule für Philosophie in München an. Es handelt sich hierbei um eine Arbeit über Fichtes Nova Methodo. Der Schwerpunkt meiner Arbeit besteht methodisch auf der Transzendentalphilosophie und beschäftigt sich vorrangig mit aktuellen Themen von Technologie und Ästhetik. Zur Zeit bringe ich bei Jahn&Jahn eine Zeitung, die Raster, heraus und beende meinen Roman Maschinerie der Nacht der eng mit meiner Promotion korrespondiert.