Die Tresen-Kolumne: Brennspiritus
Denatoniumbenzoat, so heißt das Vergällungsmittel, mit dem zum Beispiel bei Brennspiritus verhindert werden soll, dass a. Menschen ebendiesen trinken und b. Menschen daraus unversteuerten Schnaps machen können. Mit Denatoniumbenzoat werden auch die Einzelteile der Nintento Switch behandelt, damit man schnell weiterspielen kann, nachdem der kleine Bruder die neuen Controller gefressen hat. Der uralten Technik des Einverleibens von Geliebtem oder Verhasstem stellt sich die neue Konsolengeneration entschieden entgegen, denn die Spiele müssen weiter gehen, Mikrotransaktionen müssen getätigt werden und allgemein ist das Aufessen von Tätigkeitswerkzeugen nicht besonders wirtschaftlich. Als Kind hatte ich das wöchentliche Ritual, vor dem Fernseher mein Taschengeld sauber zu lutschen. Gina und Cruz fuhren im Cabrio durch Santa Barbara, der Rest der Sendung California Clan erschloss sich mir noch nicht. Ich betrachtete das Säubern und zum Strahlen bringen meines Kapitals als wertsteigernde Maßnahme. Ab und an verschluckte ich ein paar der Münzen und wurde so zu meiner eigenen Spardose, ein Held der schwarzen Null, die Statuten des Sparkassen-eigenen Knaxklubs vorbildlich verinnerlicht. Einverleiben und inflationsbereinigt Ausverleiben, dieses Prinzip hat sich bis heute übersetzt in bürgerlichen Kreisen. Nur das Zeug, was es einzuverleiben gilt, hat sich stark geändert. Die Spardose wird nun befüllt mit Beweisen und Versuchsdokumentationen eines erfüllten Lebens, mit dem unsichtbaren Kapital vermeintlicher Unabhängigkeit. Die Akademien und Hochschulen der kulturellen Arbeit sind auch eigentlich nur ein Knaxclub für die jungen Sparer_innen dieses neuen Kapitals. Wie das 50 Pfennig Stück in meinem Bauch, ist auch diese Währung knapp. Für viele wurde die Unterträglichkeit des alten Lebens nur mit der Unerträglichkeit des neuen Lebens getauscht.