Auf rhizome.hfbk.net: Fachlicher Austausch
Zwischen 7 und 10 Uhr ist bei mir in der Bar oft Tinder-Date Zeit. Länger geht es nicht. Drei Stunden generischer Softskill Austausch hält auch kaum jemand durch. Dann stehen beide Menschen erleichtert auf und verlassen den Raum. Fertig. Für mich ist das anstrengend. Wenn der ganze Laden voll ist und sich aber bohrendes Schweigen über alle Tische ausbreitet. Ich mache dann Musik an, die ohne große Dynamik auskommt. Bloß den Raum mit irgendeinem Geräusch füllen. Es sind dann oft die Männer*, die zu mir an den Tresen kommen und Getränke besorgen. Dass man das so macht, haben sie wahrscheinlich in irgendeinem Gentleman-Tutorial auf YouTube gesehen. Es gibt dann meist Gin-Tonic, „den billigsten, bitte.“ Damit kann man nichts falsch machen, ein gutes und überschaubares Investment. Damit kehren die Buben zum Tisch zurück, dann Schweigen, dann Berufe, Hunde, Frisur. Viele Menschen bewerben sich auf Zuneigung wie auf Jobs. „Man muss sich durchbeißen im Leben.“ Der Mann in dem aufgeknöpften Schiesser-Hemd am Freitag bestellte sich ein großes Bier und dann „noch was Gemischtes für ne Frau.“ Bei den ganzen Terminen kann man schon mal relevante Eigennamen vergessen. Er wollte ein Radler, auch den Namen hat er vergessen. Viele Menschen am meinem Tresen, die sich wahrscheinlich als Frauen* bezeichnen würden, bestellen großes Jever, aber ich hatte wenig Lust mit ihm darüber zu sprechen.
Gestern wieder eine Ausstellungsaufforderung aus Berlin bekommen: „Bitte schicken Sie Material nach Berlin!“ Da hat sich jemand richtig viel Mühe gemacht, mich und andere Gemeinte persönlich anzusprechen. Dem fragenden Kurator war es auch egal, was für Arbeiten wir machen, zeigen oder produzieren wollen, Hauptsache Material. Es stellte sich dann auf dreimaliges Nachfragen heraus, dass die teilnehmenden Künstler_innen, nicht nur Reise, Transport und Versicherung selbst übernehmen sollten, sondern auch für die Dauer der Ausstellung dort als Aufsicht gebraucht werden. Das Angebot der Organisator_innen ist der fachliche Austausch unter den Ausstellenden. Der soll dann wahrscheinlich während der Aufsicht stattfinden. Das Gespräch mit anderen Künstler_innen ist ja auch wirklich das, was sonst immer zu kurz kommt, wenn man Kunst studiert.
Und so werden weiter random Ausstellungen bestellt, „die billigste, bitte.“