Die Tresen-Kolumne: Roadmovies
Roadmovies
Die Wahlen sind vorbei und alles verlief wie erwartet. Das Bürger_innentum hat gewonnen, diesmal mit grünem Anstrich. Für viele Menschen, hier vor allem die Jüngeren, ist Klimapolitik das entscheidende Thema gewesen. Das kann ich zu hundert Prozent nachempfinden, weiß aber nicht ob das wirklich mit den Grünen auf Dauer zu machen ist. Mit N. in Kalifornien: Ich bekomme ein Foto von einem Brief der Kulturbehörde. Mein Buch wird gefördert. Es geht um Architekturen der Abhängigkeit, deutsche Dörfer und Standorte industrieller Produktion und die Straßen dazwischen. Wir fahren gerade in Richtung San Diego, halten in kleinen Orten, die nach mir unbekannten Heiligen benannt sind. Diese Städte sind oft um einen bestimmten Zweck, eine Fabrik, eine Kaserne, eine Teststrecke gebaut, manchmal wurden sie einfach in die Wüste geworfen. Es funktioniert wie beim Angeln: Man gründet eine Stadt und wirft sie in die Wüste, verlegt Strom und zieht Asphaltstraßen in Rasterform und diese Stadt bleibt dann solange eine Behauptung, bis sie von aussen einen Zweck bekommt, eben eine Fabrik zum Beispiel. Manche dieser Behauptungen warten immer noch darauf, irgendwann etwas zu fangen und kümmern so langsam in ihrer Staubigkeit vor sich hin. Diese Straßen sind Blutgefäße für Organe, die keine Funktion haben. Ohne LKWs kein Wasser, kein Essen, kein gar nichts. N sagt: Vielleicht sind wir die letzten, die sich damit beschäftigen können. In 30 Jahren wird es das so nicht mehr geben. Entweder die Fortbewegung durch fossile Brennstoffe hat keine Zukunft, oder die Menschheit hat keine Zukunft. Wasser wird teurer werden, Importe von Lebensmitteln auch. Wüstenstädte werden veröden und andere Städte werden zu Wüstenstädten. Die USA und hier vor allem der popkulturelle Zugang dazu, muss sich dann neu erfinden, wenn die ikonischen Straßen durch das Land keine Relevanz mehr haben. Roadmovies gibt es dann nur noch als historische Periodstücke einer längst vergangenen Zeit. Aber natürlich sind die USA nicht der einzige Ort, der um die Straße herum entstanden ist. Auch das Ein-Straßen-Dorf in Oberfranken, aus dem meine Mutter stammt, kann sich dann neu denken: Die Straße wird zugebaut und unten, auf der Wiese der Schubertfamilie, neben dem Feuerwehrhaus, in dem einmal die Woche auch der Posaunenverein spielt, entsteht der neue Bahnhof. Ich glaube, N. hat recht, wir sind das Ende einer langen Erzählung. Ich hoffe, dass danach eine neue beginnt.
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