Die Tresen-Kolumne: Die Bohrmaschinen der Anderen
Das Unterstützungsgeld der Stadt Berlin ist inzwischen bei all meinen Künstler_innenbekanntschaften angekommen, hat eine freundschaftliche Umfrage vorgestern ergeben. Bei den meisten sogar schon zwei Tage nach Antragstellung. Die anfängliche Sicherheit, dass man dieses Geld schon beantragen wird können, ist allerdings bei vielen inzwischen einer Angst vor der Prüfung danach gewichen. Man muss nachweisen können, dass man das zugesprochene Geld auch wirklich verdient hätte, aber so funktioniert Kunst natürlich meistens gar nicht, selbst für die paar Leute, die damit wirklich ihren Lebensunterhalt verdienen. Es wäre Art Cologne gewesen, für manche eine potenzielle Verkaufsgelegenheit. Aber da gibt es natürlich keine Dokumente. Was soll da auch drauf stehen? Also die Stütze nach der Neueröffnung des Marktes zurückzahlen mit dem ersten verdienten Geld. Dann wieder kein Geld mehr haben und sich was leihen usw. Der Verbraucher_innenschutz hätte in einer Sondersendung davor warnen sollen, vielleicht mit einem Brennpunkt: „Achtung! Trickkredit“. Man kann finanzielle Löcher nicht mit einer Wette auf die Zukunft stopfen, wenn diese Zukunft so kurz ist, das man sie fast Präsens nennen könnte. In Großbritannien wird überlegt, ob man bei alten und anderweitig nicht mehr oder gemindert arbeitsfähigen Menschen die Maschinen abstellen kann, wenn diese woanders gebraucht werden. Es geht allein um den Erhalt von potenzieller Arbeitskraft, die unsere Körper leisten können. Deshalb ist hier auch Sport im Freien erlaubt, Kuchen essen nicht. Deshalb sind Abtreibungen nicht ok, denn damit vorenthält man der Gesellschaft eine potenzielle Controllerin bei Siemens, alte und kranke Menschen für die Wirtschaft opfern aber schon, denn deren Kraftüberschuss wurde bereits abgeschöpft – ein letzter Einsatz auf den Feldern der Spargelernte oder den Kassen bei Edeka als sozialdarwinistisches Upcycling. Darin manifestiert sich der gesellschaftliche Zugriff auf die Körper ihrer Teile. Die gehören schließlich dem Allgemeinwohl, und das Allgemeinwohl drückt sich in der vereinten Anstrengung der Körper als Bruttosozialprodukt aus. Die Tatsache, dass ich eigentlich nur die Bohrmaschine von jemand anderem bin und in der Zeit, in der ich nicht benutzt werde, dafür Verantwortung trage, gut geölt zu sein und nicht zu rosten, erzeugt bei mir plötzlich einen Riesenhunger auf Kuchen. Ab heute Nacht schlafe ich im Sitzen, zieh mir Schuhe der falschen Größe an und putz mir nie wieder die Zähne. Vielleicht fange ich dann endlich an zu rosten.