"String figures" auf rhizome.hfbk.net: Fremdes Licht
Fremdes Licht – Ein Traumjournal
In der Nacht vom 24. auf den 25. Februar diesen Jahres träumte ich in den Morgenstunden von einem Spaziergang mit Julia durch eine Art Mall. Sie war schon überdacht und hell, aber vieles war auch hölzern und das Licht schien braun. Wir liefen herum und unterhielten uns über Dinge, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Aber ich weiß, dass wir uns plötzlich entschieden, durch ein Loch zu steigen – ein Zeitloch. Wir stiegen also durch dieses Loch, das zwar nicht erstaunlich, aber auch nicht allen zugänglich war. Es war trotzdem besonders. Wir verließen das bläulich-bräunliche atmosphärische Licht der Mall, stiegen durch eine Art Schacht in eine andere Zeit. Wir wussten, dass es eine andere Zeit war. Als hätte es uns jemand erklärt. Ich wusste sowieso alles, was meine Partnerin dachte und sie wusste alles, was ich wusste und das mag ich an Träumen, dass man mental so verwoben ist, weil alles eins ist: ein Gehirn, das da träumt. Nur ein bis zwei Meter kletterten wir durch den Schacht, bis wir in einen Raum kamen. Er war sehr verwinkelt und komplett mit verschiedenartigen Holzplatten verkleidet, rotbraun, mahagonifarben, aber auch helle Hölzer. Durch ein paar Spalten kam großzügiges Licht, das aber weder Tages- noch künstliches Licht war. Es war einfach fremdes Licht. Warm habe ich es in Erinnerung, nicht bedrohlich. Dieser umständlich kubistisch konstruierte Raum hatte ein Zentrum, das wie eine Theaterbühne wirkte. Auf dieser Art Bühne befand sich ein eckiger Tisch, an dem eine Menge Leute saßen. Ein älterer Herr, bärtig, freundlich und weise. Bestimmt die männliche Wissensautorität, die mich zu Schulzeiten geprägt hat. Und noch andere Menschen, an die ich mich jetzt kaum mehr erinnern kann. Eine anonyme Ansammlung von Menschen. Und dann saßen da noch Leonardo Di Caprio und Kate Moss. Beide 19 Jahre alt –, das weiß ich genau. Denn am Abend zuvor war ich müde durch Instagram geschlingert und auf ein Bild der beiden süßen Mäuse gestoßen. Ich war natürlich erstaunt, dass beide zusammen mit 19 auf einem Foto zu sehen sind und dachte: »Wow, die fand ich beide geil früher und dass die sich kennen ... da schließt sich ein Kreis«. Nachhaltig beeindruckt war ich eingeschlafen. Kein Wunder, dass die beiden in meinem Traum auftauchten. Jedenfalls saßen alle da an diesem Tisch, Julia und ich auch, wir waren Teil der Gruppe und wussten, wir sind also in einer Zeit, in der wir anderen Leuten in anderen Lebensjahren begegnen können. Wir diskutierten über irgendwas mit Kapitalismuskritik und ich fragte mich wie immer, wie es nun weitergehen mag und überhaupt, was kann ich tun, was kann man tun, was könnten andere tun. Was bin ich meinem Kind schuldig? Ich glaube jedenfalls, dass wir über so was redeten, denn als ich aufwachte, hatte ich das im Gefühl. Auf deutung.com schreiben professionelle Traumdeuter, die Zeit »innerhalb eines Traums kann einen bestimmten Lebensabschnitt symbolisieren. Siehe auch: Dämmerung Mittag Nacht Tag Tageszeit. Zum Forum >>>« Ins Forum habe ich mich nicht getraut. Ich habe größten Respekt vor diesen Internetforen, obgleich sie auch ein bisschen so sind wie dieser konspirative Sitzkreis in meinem Zeitlochzimmer. Doch die User sind mir unheimlich und ich setz mich nicht an jeden Tisch, weil ich sonst Angst bekomme vor zu vielen Eindrücken. Einerseits versuche ich mich in meiner künstlerischen Arbeit mit Perspektiven zu befassen, die mir fremd sind, die ich nicht verstehen kann, obgleich sie in meinem näheren Umfeld vorkommen, andererseits versuche ich mich im sogenannten Alltag davor zu schützen, denn ich bekomme sonst das Gefühl, selbst falsch und komisch zu sein. Es scheint so einen Verhaltenskodex zu geben, eine Norm, einen Kreis – und ich weiß nicht, wie das sich anfühlt da drin. Einmal sagte mein Freund zu mir: »Dafür bist du auch nicht da, um inside the box zu denken.« Aber manchmal, heimlich, denke ich, es wäre auch gemütlich da drin, aber nur, wenn ich nicht all diese offenen Fragen hätte. Zum Thema Tisch fand ich auf deutung.com: » – bei guter Unterhaltung an einem sitzen: Freude, – andere an einem sitzen sehen: sehr günstiges Omen.«
Ich las am nächsten Abend endlich das Buch V oder die vierte Wand von Anja Kümmel zu Ende. Ich habe vieles nicht verstanden, aber es war richtig gut. Der »Zeitriss« aus ihrem Roman hat sich in meinem Traum zu einem Zeitraum entwickelt. Ich träume nicht oft diese großen Träume, die sich wichtig anfühlen. Und wenn, dann geht es immer um einen Raum, der nicht abgeschlossen ist. Obwohl das einen Raum ja ausmacht, die Abgeschlossenheit von einem Außen. Meine Traumräume sind ausufernd und haben kein Ende, trotzdem weiß ich, dass es Räume sind. Vielleicht so wie der Weltraum. Es gibt eine Schlingerstraßengegend, die sich auch schon wiederholt in meinen Träumen gezeigt hat. Und einen anderen Raum: unter Wasser – ich habe diese Gegend bei meinen Tauchgängen so nie gesehen. So weit könnte man unter Wasser gar nicht gucken. Und gestern, als ich diese Doku gesehen habe. »Der Blaue Planet (2): Leuchtende Tiefsee« kam ein Ort meinem Raum schon sehr nahe – ab Minute 0:25 sieht man eine Sandfläche aus der Methanblasen aufsteigen. Dahinter liegt ein See. Ein Salzsee im Meer – wie ein Ölfilm auf dem Wasser befindet sich dieser Salzsee unter dem Wasser auf dem Boden. Diese Räume jedenfalls, die mich mein Leben lang schon begleiten sind immer mysteriös und fremd, unerklärlich, schön und unheimlich zugleich. Sie lassen mich weiter suchen, lassen mich weiter Fragen stellen. Ich arbeite – und habe keine Lösungsvorschläge in meinen Arbeiten, in meinen Bildkompositionen. Ich stelle in und mit ihnen immer nur noch mehr Fragen – an mich. Manchmal macht mir das Angst, dann check ich irgendwas Handfestes im Internet.