Auf rhizome.hfbk.net: Die Kolumne "Der Tresen"
Damit sich die Geschichte Dithmarschens wiederholt.
T. sitzt mit einem unbekannten Mann am Tresen. T sitzt immer am Tresen, kichert, starrt, spricht. Man versteht sie nicht gut. Ihre Stimmbänder sind von irgendeiner Krankheit auf ewig im Flüstermodus gefangen. Ihr Mann sei ihr gestorben. Er sei an seinem Erbrochenen erstickt. In einem offenen Sarg haben sie ihn beerdigt, aber da sein Mund noch voller Erbrochenem war, haben sie ihn kurzerhand zugenäht. Sie hat es sich trotzdem nicht nehmen lassen, diese Wunde im Gesicht zum Abschied zu küssen.
Beide sind schon eine Weile da. Er rückt immer näher. In der Hoffnung geteilter romantischer Situationsbewertung fragt er: „Wenn alles wahr werden könnte, was würdest du dir dann wünschen?“
T. antwortet, ohne zu zögern: „Ich wünsche mir, dass die Geschichte Dithmarschens sich wiederholt.
T. hat dann nicht weiter ausgeführt, was sie genau damit meint. Bekanntester und meist erzählter Teil der Geschichte Dithmarschens ist die Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500. In dieser Schlacht erhält die autonome Bauernrepublik Dithmarschen ihre Freiheit gegen den Zugriff Dänemarks. Die Bauern schlagen die berüchtigte schwarze Garde, eine auf Aufstandsbekämpfung spezialisierte Söldnerbande. Das erinnert mich ein bisschen an Hamburg im Sommer 2017. 59 Jahre nach der erfolgreichen Verteidigung fällt Dithmarschen an Dänemark. Der König hat einfach mehr Truppen geschickt. Wie schon die schwarze Garde: auch wieder unter deutscher Leitung. Aufstandsbekämpfung können die Deutschen eben doch am besten, damals wie heute. Die selbstverwaltete Stadt Afrin in Nordsyrien fiel gestern an jihadistische Milizen im Gepäck der Türkei. Auch hier unterstützt von deutschen Seite mit Waffen. Selbstbestimmung ist einfach nicht so unser Ding.