Die Tresen-Kolumne: Leidenschaft
Dieses Jahr war ich selbstständig und habe es überlebt. Allerdings nicht, ohne ein Drittel der Zeit mit existenziellen Sorgen an die Schlafzimmerdecke zu starren. Websites mit Tipps für Selbstständige konnten mir nie helfen. Da geht es immer um sogenannte Gründer_innen, Startup-People: „Welches Konto ist das richtige für dich“, „mit welchem Werbeauftritt überzeugst du neue Kunden“. So wie ich kreisen viele, frei schwebend, in und um den Kulturbetrieb herum, weniger als Firma denn als Einzelpersonen, die auf herausgeschleuderte Arbeit warten, um sich diese dann einzuverleiben wie Pac-Man. Ob der wohl auch Nachts wach liegt und sich fragt, ob es nächsten Monat wohl noch genug gelbe Punkte zum Fressen gibt, oder jemand anderes den Zuschlag zum Labyrintaufräumen bekommt. Vielleicht springt ja auch ein Werksvertrag dabei raus, denkt sich Pac-Man und lächelt kurz, denn eigentlich arbeitet er eh die ganze Zeit weisungsgebunden und wenn das rauskommt, dann schuldet er dem Staat für seine Scheinselbständigkeit noch Rentenleistungen. Vielleicht hat Pac-Man promoviert in Labyrint-Soziologie aber die Stellen sind alle besetzt, also räumt er jetzt die der anderen auf. „Besser, man bleibt in der Nähe“, denkt sich Pac-Man, „dann bin ich immer gleich informiert wenn irgendwo was frei wird!“. In seiner Freizeit baut er selbst Labyrinte, hatte sogar mal ein Stipendium, da musste er dann ein Jahr nicht mehr so viel woanders arbeiten und konnte sich mehr mit seiner eigentlichen Leidenschaft befassen. Seine Leidenschaft, sie qualifiziert ihn für weitere Aufräumarbeiten, denn Leidenschaft is key, so sagt man. Es gibt jetzt ein Professionalisierungsangebot an der HfbK, das hätte ich wohl auch gebraucht. Im Februar ist es dort an mir und meiner Komplizin N., mit Studierenden und Alumni dieser Schule über das Schreiben zu sprechen und über das Sprechen zu schreiben. Also das Schreiben über die eigene Arbeit und die generelle Versprachlichung der eigenen Haltung, die sich doch manchmal so scheinbar einfach in der Kunst einen Weg sucht. Das kann ich. Vielleicht sollten wir aber auch über Angst sprechen und ein solidarisches Miteinander, über das Gefühl, Dinge alleine regeln zu müssen und das lange Luft anhalten in der eisigen Badewanne. So allein ist man nämlich gar nicht. Ich habs mir mal notiert, für Februar dann.