Die Tresen-Kolumne: Der selbstbewegende Gegenstand
Der selbstbewegende Gegenstand
Slavoj Žižek hat wieder zugeschlagen. Diesmal nicht ganz so beleidigend, jedoch immer noch gleichermaßen psychoanalytisch lustbesoffen, besingt er in der FAZ das erotische Potenzial des Elektrorollers. Also nicht das der Elektro-Vespa, sondern dieser selbstfahrenden Tretroller, die in jedem Gebüsch und jedem Kanal urbaner Ballungsräume liegen und am Abend mit großen SUVs oder Transportern von Menschen in orangefarbenen Warnwesten eingesammelt werden. Seine These ist nicht besonders ausgefeilt. Es wiederholt sich das alte Prinzip: sublime Erotik, die vom selbstbewegenden Gegenstand abstrahlt. Der Roller (das Fließband, das Auto, der Zug, die Rolltreppe, der Fahrstuhl, das Flugzeug, der elektrische Rollstuhl etc.) bewegt sich von selbst, nimmt dem Menschen ebendiese Last und funktioniert damit also wie ein elektrischer Dildo. Alles klar. Žižek betrachtet die Welt wie ein aus dem tausendjährigen Kryoschlaf erwachter Zauberer. Ja, sie bewegen sich selbst. Aber halt auch nur, weil sie von verbrennungsmotorisierten, unterbezahlten, gewerkschaftlich unorganisierten und arbeitsrechtlich fragwürdig beschäftigten Personen jede Nacht in der Garage, im WG-Zimmer oder bei den Nachbarn mit Strom versorgt werden. Diese Arbeiter_innen nach der sublimen Erotik ihrer Nebenbeschäftigung zu befragen, wäre sicher sehr aufschlussreich. Žižek ist eine marxistische Karikatur. Vielleicht aus ernst gemeinter Resignation bewertet er die Welt als Gesamtheit der Dinge und ob sie geil sind oder nicht. Solche fadenscheinigen Maskottchen der Gegenkultur kann man ohne Zweifel in den Feuilletons deutscher Leitmedien vor sich hin murmeln lassen, der Pullover voller Soße, die Hose schon beiseite gelegt, vollgeschmissen mit den Produkten eines grüner werdenden Kapitalismus. Die verzweifelte Ironie als Selbstverteidigungsstrategie hat sich in kraftlosen Hedonismus verwandelt.