stringfigures@rhizome.hfbk.net: Romance
Endlich habe ich diesen Text von Annika Bender gelesen: „Death of an Art Critic“. Ich wusste nichts genaues über Annika Bender. Der Hype (war es ein Hype?) ist damals an mir vorbeigegangen. Vielleicht war ich noch nicht so im Thema oder noch zu jung oder mit anderen Dingen beschäftigt. Irgendwann kam mir Annika Benders Tod unter und zeitgleich diverse Posts in den sozialen Medien - ich vergaß wieder. Nun hielt ich ein Exemplar in meinen Händen. Ich habe lange gesucht, gewartet und es dann ertauscht. Den Text kann man auch hier nachlesen:
https://www.merkur-zeitschrift.de/2016/02/17/tod-einer-kritikerin/#more-3779
Kurz: zwei Künstler geben sich online als die Kunstkritikerin Annika Bender aus, noch ein paar Leute als Erik Stein, schreiben verheerende Kritiken, wollen mehr von der Kunst und ihrer Kritik, wollen mehr wissen, wollen Reaktionen und dann wollen alle Annika Bender kennen lernen und laden sie ein und die Künstler sind traurig und lassen sie sterben.
Annika Bender hat hier getwittert: https://twitter.com/donnerstag_blog?lang=de
Ich fand den Text großartig. Ich finde die Idee nachvollziehbar und fühle mich an mein Bedürfnis erinnert, ein fiktives Interview mit meinem alten Ego Iwan Köllmer zu entwickeln:
Ich wollte wissen, wie ich mir vorstelle, wie ich mich wohl als Mann über meine Kunst äußern würde, was ich vielleicht anders gemacht hätte.
Ob die zwei weißen Männer, die dann eine Frau waren die Genderfrage ebenfalls interessant fanden weiß ich nicht - ich fand es spannend.
Der Versuch, sich ungreifbar und unangreifbar und angreifbar zugleich zu machen führte zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen und Konsequenzen, doch für mich blieb Annika Bender eine außenstehende Person. Auch blieben die Leute hinter Annika Bender irgendwie auch außenstehend. Einerseits macht es für mich großen Sinn, sich auf diese Art dem ziemlich abgefuckten Kunstbetrieb zuzuwenden, aber kann man sich nicht auch ehrlich fragen:
was ist eigentlich nicht abgefuckt? Es ist einfach alles zu verdammt abgefuckt, wenn nicht kommerziell überformt, dann beeinflusst oder verwoben?
Das Konstrukt Annika Bender setzt sich nicht aus.
Möglich, dass meine gefühlsduselige Herangehensweise an die Kunst, ihre Theorien und ihre Mäander weder Hand noch Fuß haben. Doch ist es vielleicht auch ganz geil, sich ohne Hände und Füße, affektgetrieben und schnell und wahnsinnig durch diese ganze Scheiße treiben zu lassen? Überstürzt? Annika Bender formuliert vieles aus, was mir aus dem Herzen spricht und doch empfinde ich es als eine Kritik von oben herab ohne die eigene unendliche Verstrickung etwas mehr zu benennen.
Fällt es mir eigentlich leichter das Projekt zu kritisieren, weil es einen Frauennamen trägt?
Eins noch:
Shout-out to all the people, die über Vernissagen abkotzen: …keiner redet über Kunst, alle wollen Sekt und Häppchen, Eventbullshit, etc. Neulich meinte mein Freund R., ein Kommunikationsingenieur bei einem großen deutschen Betrieb zu mir, nachdem ich zu schlecht gelaunt über Vernissagen geschimpft habe „alle kommen, keiner redet über die Kunst, alle wollen bloß saufen, …“ , dass er die Vernissagen der Offszene, die Parties der Kunsthochschulen liebt. Es wäre ein offener Raum für so viele Leute, wie es ihn sonst selten gäbe. Er fände das äußerst wichtig und war ganz betroffen, dass ich so geschimpft habe. Über die Kunst würde er tatsächlich fast nie reden, aber sie würde ins Gespräch eingehen, ihn beeinflussen und er trage das dann so mit sich rum.
Ich mochte das. Und ich schimpfe manchmal über diese Vernissagen, aber ohne sie wäre ich verloren.
Annika auch. Sie wusste es auch.
R.I.P.