Symposium »Klimakapseln«
Wie wollen wir in Zukunft leben? Wie sieht unser Alltag aus, wenn der Klimawandel spürbare Wirklichkeit wird? Konzepte, die nicht das Ziel verfolgen, den Klimawandel aufzuhalten, sondern Möglichkeiten der Anpassung aufzeigen: Die Ausstellung im MKG präsentiert 30 aktuelle und historische Kapseln aus Kunst, Architektur
und Design, die ein Leben unabhängig von den klimatischen
Außenbedingungen vorstellen. Im begleitenden Symposium
werden die gesellschaftspolitischen Implikationen einer Anpassung an den
Klimawandel vertiefend diskutiert. Von zentralem Interesse ist dabei
die Frage, wie innovative und kritische Ansätze aus Kunst, Design und
Kultur gesellschaftliche Entwicklungen mitgestalten können. Hierzu
werden zahlreiche der beteiligten Künstler, Designer und Architekten
einen Einblick in ihre Praxis geben. Soziologische Anmerkungen zu
Inklusion und Exklusion sowie eine Einschätzung menschlicher Eingriffe
ins Ökosystem aus naturwissenschaftlicher Perspektive bilden den
Anschluss zum wissenschaftlichen Diskurs.
Freitag, 28. Mai 2010
12.00-12.15 Uhr
Begrüßung und Einführung:
Martin Köttering, HFBK Hamburg und Friedrich von Borries, HFBK Hamburg
12.15-12.45 Uhr
Grußwort: Design- und Gesellschaftspolitik
Lutz Nitsche, Kulturstiftung des Bundes
12.45-13.30 Uhr Keynote: Exklusion/Inklusion
Heinz Bude,
Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel sowie
Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung. Schwerpunkte
seiner Arbeit sind Generations-, Exklusions- und Unternehmerforschung.
2008 veröffentlichte er den Band »Die Ausgeschlossenen. Das Ende vom
Traum einer gerechten Gesellschaft«, sowie 2006, zusammen mit Andreas
Willisch, »Das Problem der Exklusion. Ausgegrenzte, Entbehrliche,
Überflüssige.«
14.00-16.00 Uhr
Panel I: Migration (Vorträge, Diskussionen)
Vincent Callebaut,
Architekt. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Entwicklung einer
nachhaltigen »Ökopolis«, deren Architektur biologische Erkenntnisse
ebenso wie Informations- und Kommunikationstechnologie mit einbezieht.
2008 entwickelte er »Lilypad«, eine Studie für eine »schwimmende
Ökopolis für Klimaflüchtlinge«.
Tomás Saraceno,
Künstler. Nach seinem Architekturstudium in Argentinien studierte er bei
Peter Cook (Archigram) an der Frankfurter Städelschule. Sein
Langzeitprojekt »Air-Port-City- cloud city« basiert auf dem Konzept von
zusammengesetzten pneumatischen Strukturen. Unberührt von nationalen
Gesetzen soll die Air-Port-City durch die Atmosphäre gleiten,
Territorialgrenzen hinter sich lassen und freie Migration ermöglichen.
Michiko Nitta,
Grafik-Designerin und Künstlerin. 2007 initiierte sie die fiktive
ökologische Widerstandsbewegung »Extreme Green Guerilla«. EGG kritisiert
den pseudonachhaltigen, konsumfreudigen Lebensstil der Gegenwart und
denkt Maßnahmen zur Rettung der Erde ins Extreme weiter. Dazu zählt z.
B., dass die Mitglieder ihr Leben im Alter von vierzig Jahren beenden,
um so die Umwelt zu schonen.
16.30-18.30 Uhr
Panel II: Flexible Schutzräume (Vorträge, Diskussionen)
Chip Lord,
Architekt und Künstler. 1968 gründete er gemeinsam mit Doug Michels das
Künstlerkollektiv Ant Farm, das bis 1978 an den Schnittpunkten von
Kunst, Architektur und politischem Aktionismus operierte. 1970
entwickelten Ant Farm die Aufblasarchitektur »Clean Air Pod«, einen
symbolischen Schutzraum, der in Performances als Zuflucht vor
verschmutzter Luft angeboten wurde. Derzeit ist Lord Professor für Film
und digitale Medien an der University of California in Santa Cruz
Curtis Schreier,
Künstler. Mitglied des Künstlerkollektivs Ant Farm, das von 1968 bis
1978 an den Schnittpunkten von Kunst, Architektur und politischem
Aktionismus operierte. In zahlreichen Performances und Aktionen kamen
dabei aufblasbare Architekturen, sog. Inflatables, zum Einsatz, so etwa
der 1970 entwickelte »Clean Air Pod«, ein symbolischer Schutzraum, der
in Performances als Zuflucht vor verschmutzter Luft angeboten wurde.
Lucy Orta,
Professorin für Mode, Kunst und Umwelt an der University of Arts London.
Orta bezeichnet ihre Arbeiten als »architecture with soul« und sucht
nach einem sozial, politisch und ökologisch nachhaltigen Design. In der
1992 bis 1994 entstandenen Serie »Refuge Wear« setzte sich mit sozialer
Ausgrenzung, Mobilität und Wohnen auseinander: Die zeltartigen
Schutzanzüge sollten dem Träger Schutz vor einer potentiell feindlichen
Umwelt bieten.
Günter Zamp Kelp,
Professor am Institut für Architektur und Städtebau der Universität der
Künste Berlin. 1967 gründete er in Wien gemeinsam mit dem Architekten
Laurids Ortner und dem Maler Klaus Pinter die Künstlergruppe
Haus-Rucker-Co, zu der 1971 Manfred Ortner als weites Mitglied
hinzustieß. Von 1967 bis 1970 schufen Haus-Rucker-Co im Rahmen ihres
»Mind-Expanding-Program (MEP)« zahlreiche Kapseln: Masken und Helme wie
die »Environment Transformers, sowie inflatables wie beispielsweise die
»Oase Nr. 7«, die erstmals 1972 im Rahmen der documenta 5 gezeigt wurde.
Michael Rakowitz,
Professor für Kunsttheorie und -praxis an der Northwestern University
Chicago. 1998 initiierte er das Langzeitprojekt »paraSITE«. Gemeinsam
mit Obdachlosen entwickelt er an deren persönliche Bedürfnisse
angepasste aufblasbare Zelte, die an die wärmenden Lüftungsauslässe von
Gebäuden angeschlossen werden.
19.00-20.00 Uhr
Abschlussreflexion
Philipp Oswalt,
Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau. 2001 bis 2003 war er gemeinsam mit
Klaus Overmeyer Initiator und Leiter des europäischen
Forschungsprojekts »Urban Catalysts« zum Temporären im Urbanen Raum. Von
2002 bis 2005 leitete er für die Kulturstiftung des Bundes das
internationale Forschungs- und Ausstellungsprojekt »Schrumpfende
Städte«.
Friedrich von Borries, HFBK Hamburg
20.00-20.30 Uhr
Performance: Shrink
Lawrence Malstaf,
Künstler. Nach einem Industriedesign-Studium arbeitete Malstaf zunächst
als Bühnenbildner, bevor er sich der Installations- und Performancekunst
zuwandte. Seit 2000 entwickelt er Räume für Performer und/oder
Besucher, die v. a. von dem Verhältnis von Bewegung, Zufall, Ordnung und
Chaos bestimmt werden. Oftmals bildet Technologie die Inspiration
seiner Arbeit. Die performative Installation »Shrink« lässt sich somit
als technisch avancierte Körperkapsel deuten.
Performer: Wim Decorte, Gent
Samstag, 29. Mai 2010
11.00-11.45 Uhr
Einführung: Eingriffe in das Ökosystem
Victor Smetacek,
Professor für biologische Ozeanographie am Alfred-Wegener-Institut für
Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. 2009 zählte er zur Leitung
des deutsch-indischen Forschungsexperiments »LOHAFEX«: Auf einer Fläche
von 300 Quadratkilometern wurde der Südliche Ozean mit 20 Tonnen
Eisensulfat gedüngt, um das Wachstum des Phytoplanktons anzuregen und so
die Kapazitäten zur Aufnahme von Kohlendioxid zu erhöhen. Die
Auswirkungen dieser Algenblüte wurden in umfangreichen Studien
untersucht.
12.00-14.00 Uhr
Panel III: Naturmodifikationen (Vorträge, Diskussionen)
Die Brüder Peter und Mark Anderson leiten gemeinsam das Büro Anderson
Anderson Architecture in San Francisco. Das Büro arbeitet im
Grenzbereich von Kunst, Architektur und Technologie. 2006 entwickelten
sie das flexible Dammsystem »Alluvial Sponge Comb«, das bei Hochwasser
anschwillt und die dahinter liegenden Orte schützt.
Tue Greenfort,
Künstler. In seinen Arbeiten fragt er nach unserem Umgang mit Umwelt-
und Artenschutz sowie mit Ressourcen und Nachhaltigkeit und stellt diese
Themen zum System der Kunst in Bezug. Seine Projekte zeichnen sich
durch eine interdisziplinäre Offenheit und eine wissenschaftliche
Arbeitsweise mit umfassenden Recherchen aus.
Christoph Keller,
Künstler, sowie studierter Mathematiker, Physiker und Hydrologe. In
seinen Arbeiten setzt er sich mit dem Wesen der Wissenschaft, ihren
Methoden, Konstruktionen und Utopien auseinander. Seit 2003 re-enactet
er die Cloudbuster-Experimente des Psychoanalytikers Wilhelm Reich, der
behauptete, mit seiner Apparatur die Bildung von Wolken und Niederschlag
beeinflussen zu können
15.00-17.00 Uhr
Panel IV: Naturkapseln (Vorträge, Diskussionen)
Ingo Vetter,
Professor an der Academy of Fine Arts in Umeå. In seinen Arbeiten setzt
er sich mit Konzepten von Öffentlichkeit und Raum sowie deren Einfluss
auf die Entstehung von Gesellschaft auseinander. 2004 entwickelte er das
»Adaptation Laboratory«, ein aufblasbares Kunststoff-Gewächshaus, das
an den Abluftschacht eines Gebäudes angeschlossen wird. Im Inneren
befindet sich ein Götterbaum, der im 19. Jahrhundert als dekorative
Pflanze aus China nach Europa und in die USA eingeführt wurde,
mittlerweile jedoch als lästiges Unkraut gilt.
Ilkka Halso,
Künstler. In seiner Serie »Museum of Nature« zeigt er seit 2003
Fotomontagen imaginärer Museums- und Theaterbauten, in denen Natur vor
Umweltverschmutzung und menschlichem Zugriff beschützt, gleichzeitig
auch inszeniert wird.
Jan-Peter E.R. Sonntag,
Künstler. In ortsbezogenen, interaktiven Installationen beschäftigt er
sich mit Schnittstellen zwischen dem menschlichen Körper und
technisch-medialen Systemen. 2009 ließ er in einer Installation bei der
transmediale einen Eisblock schmelzen.
17.30-18.30 Uhr
Abschlussdiskussion
Friedrich von Borries, Chup Friemert, Susanne Lorenz,
Oliver Löw, alle HFBK Hamburg
Das Symposium »Klimakapseln« ist eine Kooperation von:
Hochschule für bildende Künste (HFBK)
Museum für Kunst und Gewerbe (MKG)
Die
Junge Akademie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der
Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina
(JA)
Das Projekt »Klimakapseln« wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.